Der Militärarzt Sushruta ist einer der Väter des Ayurveda. Ein Großteil des medizinischen Wissens aus dem antiken Indien, das heute noch genutzt wird, erschließt sich aus seinen Schriften. Sushruta ist einer der Ersten, der das Wissen des Ayurveda auf Palmblättern mit einem Eisenstichel aufgeschrieben hat. Seine gesammelten Schriften, die „Sushruta Samhita“, behandeln alle Bereiche des Ayurveda. Der Schwerpunkt aber liegt auf der Chirurgie. Diesem Bereich musste sich der Militärarzt am intensivsten widmen. Die Entwicklung der Chirurgie im antiken Indien ist vor allen Dingen eine Folge der Kriege, die während dieser Zeit geführt wurden.
Abgebrochene Pfeilspitzen dürften die am häufigsten zu behandelnden Wunden bei chirurgischen Eingriffen gewesen sein. Die Chirurgie im antiken Indien hieß „Salya-tantra“. „Salya“ bedeutet „zerbrochener Pfeil“, „tantra“ „Manöver“. Sushruta beschreibt chirurgische Instrumente, die überraschend modern wirken, darunter verschiedene Skalpelle, Zangen, Nadeln und Kanülen.
Außerdem nennt er siebzig Methoden, wie Wunden geschlossen und genäht werden können. Die „Shushruta Samhita“ beschreibt die Verwendung von Betäubungs- und Desinfektionsmitteln sowie den Einsatz von Lokalanästhesie.
Zu den Eingriffen, die Sushruta beschreibt, gehören unter anderem die Entfernung der Mandeln, Eingriffe zur Geburtshilfe, Aderlässe und das Abbinden von Blutgefäßen.
Sushrutas besondere Leistungen liegen auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie, als deren Gründer er oft betrachtet wird. In seinem Buch beschreibt er z.B. 15 Techniken zur Wiederherstellung eingerissener oder abgetrennter Ohrläppchen. Seine berühmteste Leistung liegt in der Erfindung der Nasenplastik. Diese Erfindung resultierte aus der Ursache, dass das Amputieren der Nase im antiken Indien eine beliebte Form der Bestrafung für Verbrecher war. Um die Nase zu ersetzen, entnahm Sushruta einen Hautlappen aus der Wange. Eine ähnliche Methode gelangte erst im späten 18. Jahrhundert von Indien nach England und wurde von da an auch in Europa eingesetzt.
Weniger bekannt dagegen ist die von Sushruta ebenfalls inspirierte Marma-Lehre über die Kontrollpunkte des Körpers. Dieses Wissen, dem bis heute der Mythos einer Geheimwissenschaft anhängt, ähnelt dem der Akupunktur und Akupressur in China.
Neben Sushruta gelangte auch der Internist Caraka zu Ruhm und Ehren. Wann genau die beide Ärzte gelebt haben, ist nicht eindeutig festzustellen. Schätzungen reichen von 1000 v. Chr. bis 300 v. Chr. Die umfangreiche Schriftensammlungen „Caraka Samhita“ und „Sushruta Samhita“ sind uns aber erhalten geblieben. Sie lassen erkennen, dass der Ayurveda bereits weit vor 1000 v. Chr. ein weitverbreitetes und komplexes Gesundheitswissen in Indien war.
Obwohl das antike Indien sich der Leistungen seiner Ärzte bewusst gewesen sein dürfte, war ihre Entlohnung gering und entsprach um 300 v. Chr. der von Wasserträgern und Stallknechten. In Gesetzestexten des fünften und sechsten Jahrhunderts wurden Ärzte sogar für „unrein“ erklärt. Es war ihnen verboten, wichtigen religiösen Opferzeremonien beizuwohnen. Ihr Ansehen ähnelte zeitweise dem der Prostituierten. In dieser Zeit durften nur Angehörige der untersten Kasten den Beruf des Arztes ergreifen.
Info von C. Wurmdobler